|
Vegetative Vermehrung
Bei Echinodoren beobachtet man aber auch oft eine Vermehrung unter Umgehung der Samenbildung durch das entstehen von kleinen Plänzchen, die zunächst noch mit der Mutterpflanze verbunden sind.
Bei vielen größeren Arten beobachtet man, dass sich direkt am Blütenstand in Höhe der Blütenquirle kleine Pflänzchen entwickeln. Diese entstehen an den Stellen, wo normalerweise eine Blüte
entstehen würde. Da diese Pflänzchen sich an ungewöhnlicher Stelle an der Pflanze entwickeln, werden sie auch als Adventivpflanzen bezeichnet. Durch die direkte Ausbildung einer neuen kompletten Pflanze unter
Umgehung der Samenbildung, Keimung und Heranwachsen des Sämlings wird ein enormer Zeitgewinn erzielt. Ökologisch gesehen haben die Adventivpflanzen ein schnelleres Ausbreitungspotenzial. Nachteilig ist zwar die
geringere Anzahl der möglichen Nachkommen gegenüber den vielen Samen, aber dieser Nachteil wird durch die Geschwindigkeit und die besseren Überlebenschancen wettgemacht. Zudem ist eine erstarkte Adventivpflanze oft
schon wieder Vermehrungsfähig, wenn der Samen noch nicht mal gekeimt ist. Besonders krass waren meine Beobachtungen hier bei E. aschersonianus, bei der die Adventivpflanzen schon nach wenigen neuen Blättchen einen
weiteren Blütenstand geschoben haben.
Während bei der generativen Vermehrung durch die Teilung des paarigen (diploiden) Chromosomensatzes und der anschliessenden Verschmelzung der einen Hälfte mit der
Hälfte des anderen Partners ein Austausch von genetischen Informationen erfolgt, ist bei der Vermehrung über Adventivpflanzen die weitergereichte genetische Information mit der Mutterpflanze identisch. Die Pflanze wird also geklont. Zudem sind auch triploide Pflanzen, also Pflanzen mit drei Chromosomensätzen, in der Lage, sich auf diesem Weg fortzupflanzen und zu überleben. Triploide Chromosomensätze können sich nämlich nicht auf zwei Hälften teilen und daher ist eine generative Fortpflanzung nicht möglich. In der Regel bilden triploide Pflanzen auch keine Blüten mehr aus bzw. wenn Blüten gebildet werden, sind sie stark deformiert. Bei den Echinodoren sind beispielsweise E. angustifolius, E. bleheri und E. osiris triploid. Wenn trotzdem von solchen Pflanzen Blütenbildung beobachtet und sogar fotografiert wurde, so könnte sich dies durch Fehlbestimmungen der Pflanze erklären bzw. auf das Vorhandensein diploider und triploider oder gar tetraploider Stämme einer Art. Bei E. osiris ist die letzterwähnte Möglichkeit nachgewiesen. Ich selbst pflege sowohl einen triploiden, als auch einen tetraploiden Stamm von E. osiris.
Für den Aquarianer ist die Ausbildung von Adventivpflanzen ein Vorteil, da auf diese Weise relativ rasch und unkompliziert eine Vermehrung seines Bestandes möglich ist. Hat man erst mal einen
Blütenstand, so kann man in den meisten Fällen auch an der Luft die Bildung von Adventivpflanzen beobachten. Will man
möglichst viele vitale Neupflanzen erhalten, so ist es empfehlenswert, den Blütenstand auf dem Wasser aufliegen zu lassen oder sogar ganz unterzutauchen. Bei “Wasserstress” wird nämlich
die Umbildung von Blüte zu Adventivpflanze gefördert. Auch bewurzeln sich die Pflanzen schon dann, wenn sie noch am Blütenstand fest sitzen. Wenn die Wurzeln der Adventivpflanzen den
Bodengrund erreichen, ist bei vielen Echinodoren zu beobachten, dass sich die Pflanze mit Hilfe ihrer Wurzeln in den Bodengrund hineinzieht. Diese Beobachtung habe ich beispielsweise bei E.
aschersonianus, E. cordifolius und E. osiris gemacht. Hat sich die Pflanze von selbst in den Bodengrund verankert, kann man abwarten, bis der Blütenstandsstängel von selbst
vermodert oder ihn einfach abschneiden. Häufig will man aber so eine selbständige Auspflanzung gar nicht haben, weil die Pflanzen sich oft solche
Plätze aussuchen, wo sie nicht ins Wunschdenken des Aquarianers passen. Man braucht den Blütenstand aber gar nicht an der Pflanze dran lassen. Es
ist durchaus möglich, den Blütenstand, wenn er voll ausgebildet ist, abzuschneiden und in ein Becken mit Wasser zu legen. Es bilden sich dann trotzdem Adventivplanzen. In Wasserpflanzengärtnereien wird dies gern
gemacht, weil dann die Mutterpflanze schneller wieder neue Blütenstände schiebt. Auch wird die Bildung von Adventivpflanzen gegenüber einer Blüten- und Samenbildung gefördert.
Sind nun die Adventivpflänzchen genügend groß und haben sich die ersten Wurzeln gezeigt, so ist dies der richtige Zeitpunkt für die gezielte Pflanzung. Bei einigen Echinodoren genügt es, die Adventivpflanze mit drei
Fingerspitzen möglichst nah am Blütenstandsstängel fest zu umgreifen und durch vorsichtiges Drehen zu lösen. Wichtig ist es, dass man möglichst tief
unten zufasst, damit man nicht nur die Blätter und die Triebspitze abreisst. Bei diesen locker sitzenden Adventivpflanzen lässt sich der größte Trieb
zuerst abdrehen und die kleineren können noch eine Weile am Stängel verbleiben, bis sie groß genug sind. Bei einigen Pflanzen sitzen die Adventivpflanzen sehr fest am Stängel und
sind nur mit großer Gewalt abzureißen. In diesen Fällen ist die Zerstörungsgefahr besonders groß. Deshalb nehme ich bei diesen hartnäckigen Fällen ein scharfes Messer und schneide den Blütenstand ein
paar cm oberhalb und unterhalb der Adventivpflanzen ab. Die losgelösten einzelnen Adventivpflanzen und die abgeschnittenen können dann ausgepflanzt werden bis sie groß genug sind, um an andere
Aquarianer abgegeben zu werden. Bei den abgeschnittenen Adventivpflanzen kann es natürlich vorkommen, dass dann bis zu drei Pflanzen an einem Ort eng beieinander stehen. Wenn jedoch der
Blütenstängel im Boden steckt, zersetzt er sich relativ rasch und dann ist es kein Problem mehr die Pflänzchen nochmals zu vereinzeln. Wollen die Adventivpflanzen am Blütenstandsstängel keine Wurzeln
schieben, so kann man sie trotzdem abdrehen oder schneiden, wenn sie erstarkt sind. Da sich diese Pflanzen aber schlecht im Boden verankern lassen, kann es immer wieder vorkommen, dass sie hochtreiben, bevor sie
sich verwurzelt haben. Ich nehme in diesen Fällen eine nicht verkupferte Büroklammer und biege sie so auf, dass sie ein großes U bildet. Diese Klammer stülpe ich dann über den Blattansatz der Adventivpflanze und
stecke Pflanze und Büroklammer in den Bodengrund, hefte also die Pflanze in den Boden hinein. Das schadet der Pflanze nicht und sie ist an einem Ort
fest fixiert und kann so ungestört anwurzeln und wachsen. Wenn genügend Wurzeln gebildet sind, kann man die Klammer entfernen.
Alles in allem ist die Vermehrung mittels Adventivpflanzen eine sehr einfache und von allen Aquarianern nachzuvollziehende Vermehrungsmethode. Aber es gibt eine Reihe von Echinodoren, die
submers, also unter Wasser, nie Blütenstände schieben werden. Zu beobachten ist dies besonders bei E. angustifolius, E. bolivianus, E. quadricostatus und E. tenellus. Diese Arten werden nur bei völliger
Trockenlegung zu Blütenstandsbildung schreiten. Unter Wasser werden zwar blütenstandähnliche Triebe gebildet, diese bilden jedoch keine Blüten aus, sondern nur in gewissen Abständen kleine Pflänzchen. Diese Methode
wird gemeinhin als Ausläuferbildung bezeichnet. Der Ausläufer kriecht in der Regel auch am Boden entlang. An der Spitze befindet sich eine kleine
Knospe, die in gewisser Entfernung von der Mutterpflanze austreibt und eine Pflanze entstehen lässt, die sich verwurzelt. Kaum haben sich ein oder
zwei Blätter gebildet, entsteht an der kleinen, noch gar nicht fertigen Pflanze ein neuer Austrieb mit Spitze und wandert am Boden entlang. Bei guten Kulturbedingungen ist dieser Vorgang außerordentlich rasch und
kann innerhalb kurzer Zeit das ganze Becken durchwandern. Man kann die Ausläufer sich selbst überlassen, dann erobern sie innerhalb kurzer Zeit alle in Frage kommenden Plätze. Es entsteht natürlich eine
ungeordnete Ansammlung dieser Pflanzen an allen mehr oder weniger geeignetet Stellen. Will man Ordnung in den Haufen bringen, bleibt einem nichts anderes übrig, als dass man die Ausläuferpflänzchen herauszieht,
voneinander trennt und dann an Stellen einpflanzt, wo sie wachsen sollen. Obwohl die Ausläuferbildung sehr ähnlich wie die Adventivpflanzenbildung
aussieht, sind es doch zwei unterschiedliche Vorgänge, die sich jedoch nur durch sehr tiefgehende botanische Ausführungen beschreiben lassen. Ich verzichte an dieser Stelle daher darauf.
Beide Vermehrungsverfahren sind jedoch der vegetativen Vermehrung zuzuordnen und die Nachkommen der auf diese Weise vermehrten Pflanzen gleichen sich grundsätzlich wie ein Ei dem anderen. Es soll an dieser Stelle
nur darauf hingewiesen werden, dass auch bei der vegetativen Vermehrung durch Mutationen oder Anpassungen an die Umwelt Veränderungen an den Pflanzen erfolgen können, und dass auch bei einer vegetativen Vermehrung
neue Varietäten, oder sogar Arten entstehen können, wenn genug Zeit verstreicht.
Zur Seite: Generative Vermehrung
Zur Seite: Rhizomteilung
Zurück zum Seitenanfang
|